Markus Poschner über Mahler, Wagner und Bruckner

Der Generalmusikdirektor interpretiert auf engstem Raum Werke von Gustav Mahler, Anton Bruckner, Richard Wagner und Richard Strauss.

Von Ute Schalz-Laurenze

Seit 2007 leitet Markus Poschner die Bremer Philharmoniker, im vergangenen Jahr hat er seinen Vertrag als Generalmsikdirektor bis 2015 verlängert. Sicher ein Zeichen, dass es ihm nicht nur künstlerisch gut geht in der Hansestadt, sein ältester Sohn ist jetzt eingeschult worden Aber auch ein Anlass, über die künstlerischen Ereignisse der nächsten Zeit zu sprechen.

Herr Poschner, erst einmal: wie haben Sie den Aku wieder aufgeladen in diesem Sommer?

Auf einer Alm – 1700m hoch – in der Österr. Also Stille und Familie – die Kinder sind drei und sechs – und die Energie der Natur tanken.

Sie waren in Japan. Was haben Sie da für Erfahrungen gemacht?

Ich bin zum dritten Mal in Japan, habe aber zum ersten Mal mit dem NHK Symphony Orchestra gespielt, das, kann man so sagen, sind Japans Berliner Philharmoniker. Was in diesem Land immer wieder positiv betroffen macht, ist die Konzentration der Spieler, aber auch der Zuhörer. Das ergibt eine hohe Effizienz inbezug auf die Homogenität, wir sind da viel heterogener.

Sie haben im vergangenen und im Jahr davor zwei Schwerpunkte gesetzt mit den kleinen Festivals Richard Wagner und Johannes Brahms, sicher Antipoden von größtem Ausmass. Nun kommt im Musikfestkonzert Anton Bruckner hinzu, von dessen Sinfonik Brahms meinte, sie sei Schwindel, und der selbst über Brahms sagte, das sei überhaupt keine Musik. Dann kommt mit Tannhäuser beim Theater Bremen wieder Wagner, diesmal früher, hinzu, es kommt im ersten Philharmonischen Konzert mit Gustav Mahlers 2. Sinfonie noch wieder eine ganz andere ästhetische Komponente der Spätromantik: »Wenn das noch Musik ist, dann kenne ich keine Musik mehr«, so der Dirigent Hans von Bülow. Mahler hatte ja über Bruckner gesagt, er sei »halb Gott, halb Trottel«. Bevor wir auf Details eingehen, würde ich gerne wissen, wie orientieren Sie sich in diesem Urwald und wie ist das mit der »Wahlverwandtschaft« des Interpreten? Geht es, diese Komponisten gleichermassen zu lieben? Und muss man das überhaupt, wenn man interpretiert?

Man muss hemmungslos lieben. Natürlich ist es richtig, dass diese Musiken eigentlich kaum etwas miteinander zu tun haben. Aber wir Interpreten müssen bedingungslos überzeugt sein von dem, was wir tun, wir müssen das Geheimnis des Werks suchen. Jemand hat einmal gesagt, das Werk weiß mehr als der Komponist. Das find ich ganz wunderbar, ich bin da wie ein Chamäleon, ich versuche zu verstehen….

Für Anton Bruckners Romantische Sinfonie von 1874 ff. gibt es drei Fassungen, darüberhaus Revisionen. Was ist denn von Bruckners Art des Nicht-Fertig-Werdens zu halten?

Von dem Werk bin ich überwältigt und mich treibt die Neugier in die Interpretation. Brahms und Wagner sind dann völlig vergessen. Bruckners Art, alles wieder zu verwerfen, hängt, meine ich, mit seiner Religiosität zusammen: das ist ja gar nicht sein Werk, es ist alles da und er schreibt’s halt auf. Und entschuldigt sich auch noch hinterher. Der Egomane Wagner dagegen, der hatte eine Mission, der wollte jeden erlösen

Für Tristan und Isolde haben Sie sich leidenschaftlich in die Verzahnungen der Leitmotivtechnik verbohrt. Wie ist es mit der Musik zu Tannhäuser, die ja doch sehr heterogen daherkommt?

Bei den Proben haben wir gesagt: der Verdi aus Thüringen, da geht die Post ab in einer überschaubaren Architektur. Bei Tristan weiß man nie, wo’ s hingeht.Hat man was entdeckt, geht’s schon wieder anders lang. Es sind bei Wagner immer diese vaterlosen Helden, sie suchen und suchen… Wußten Sie übrigens, dass Tannhäuser auch ein ganz altes Bremer Stück ist? Es wurde 1853 hier aufgeführt…

Was macht denn mehr Spaß, Tristan oder Tannhäuser?

Das kann ich nicht sagen, weil es zwei völlig verschiedene Welten sind. Ich lass mich auf beide ein.

Zu Mahlers Auferstehungssinfonie: Mahler hatte ja eigentlich mit der sogenannten Programmmusik nichts am Hut, hier aber scheint es doch ein ›Programm‹ zu geben. Es ist eine Totenfeier bis zur Auferstehung. Das Werk ist extrem vieldeutig und damit interpretationsbedürftig. Wie weit müssen Sie eigentlich kommen mit einer intellektuellen Interpretation, ehe Sie an die Noten gehen?

Der erste Schritt ist immer die Partitur, und hier haben wir hervorragende Quellen. Ich fühle mich dann fast wie ein Chirurg, der erstmal liest, analysiert. Parallel dazu lese ich natürlich über den Komponisten und die Zeit. Mahlers Musik muss man nicht interpretieren – das hat auch mal jemand gesagt – die muss man machen, denn es steht alles, wirklich alles in den Noten. Es ist aber wie ein Korsett und das ist schwer, denn es muss ja auch durch mein Blut. Ein unglaublich große Herausforderung…

Noch ein Werk ergänzt Ihre spätromantische ›Super-Show‹. Im Musikfestkonzert sind Richard Strauss »Vier letzte Lieder« zu hören: tonale Musik aus dem Jahr 1948. Was ist davon zu halten außer dass natürlich die Orchestersprache von überirdischer Schönheit ist?

Ich monier da nichts. Es ist Musik eines 84jährigen aus dem Niemandsland, kein Kontakt mehr zur Erde. Sie will nichts, sie muss nichts.

Noch ein Wort zu Jospeh Haydn, dem Sie das kleine Phil-Festival widmen.

Haydn ist eine Genie, das größte vielleicht…. es ist die völlige Ausgeglichenheit zwischen Herz und Verstand, die an ihm so fasziniert….

Auf was freuen Sie sich am meisten in der nahen Zukunft?

Ich bin voller Vorfreude auf jede Note, die da kommt…